Sachsenring, 2.5.-4.5. 2003
Liebe Freunde und Förderer von BOT (Bereuter/Oehlmann
Team), wenn Ihr auf den Wochenendbericht zum ersten IDM-Rennen 2003 am
Sachsenring gewartet habt, so will ich Euch nicht enttäuschen!
Erlaubt mir zuerst, ein wenig auszuholen, da diese
verhängnisvolle Geschichte schon in Most ihren Anfang nahm. Der Plan war: Ralf
und ich fahren nach Most, genießen dort zwei Renntrainings je 2 Tage mit den
Solomaschinen, um anschließend direkt zum Sachsenring zur IDM anzureisen. Dieser
Plan war nicht teamkonform wegen des bei mir, wie die Erfahrung lehrt,
bestehenden erhöhten Verletzungsrisikos. Teamsono wurde mir die Genehmigung für
ein 2-tägiges Frauentraining erteilt, was bei paradiesischen Bedingungen (nur 5
Frauen auf der ganzen sonnenbeschienenen Rennstrecke!!!)zu einem persönlichen
Desaster wurde. Aus zwei Gründen. Erstens: alles, was ich den Mädels bei der
Kurvendiskussion am Karfreitag(vor Assen) beibrachte kann ich selbst nicht
umsetzen. Zweitens: Wegen dieser Unfähigkeit nahm Montesuma Rache. Und er rächte
sich bitterlich. Zwei Tage lag ich dämmernd im Wohnwagen, nicht fähig dem
Renntraining von Ralf auch nur gedanklich zu folgen. Donnerstag Abend mutierte
ich entkräftet zum Frauenversteher und spürte ein sehnsüchtiges Verlangen nach
einem Arzt. Ralf stapfte los, dieses Sehnen zu erfüllen. Anstatt eines Arztes
brachte er fette Beute: durchsichtige Tropfen, ein Laugenweck sowie eine Flasche
alkoholfreies Weizenbier. Ich kam mir vor wie lang verliebt: schwindelig im Kopf
und unerfülltes Sehnen! Die Tropfen besiegten die Krämpfe, der Rest ging durch
als bayrische isotonische Heilnahrung. Mein Zustand hielt unverändert an.
Das IDM Rennen rückte für mich ins Nirwana der
unerfüllbaren Sehnsüchte, den Medizinerwunsch wollte ich mir aber zeitnah
erfüllen. Die Zöllner an der Grenze schafften es fast, dies zu verhindern. Nach
stundenlanger Wartezeit eroberten wir deutsche Gefilde sowie Marienberg. Ein
lauschiges Örtchen mit kolonnenfluchtartigem Durchgangsverkehr. Unseren
gebeutelten Wohnwagen parkten wir im Halteverbot an der Linienbushaltestelle und
ab gings in die Apotheke. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte - ja,
das tat ich. Der Herr Diplom-Mediziner untersuchte meinen äußeren Bauchanteil
und wusch sich ca. 5 Minuten lang die Hände. Chirurgische Händedesinfektion nach
einer Berührung meines Bauches? Irritiert schaute ich an mir herunter. So hatte
noch nie ein Mann auf meinen Bauchnabel reagiert! Verstohlen suchte ich nach
Schmutz oder anderen abstoßenden Spuren wie Falten o.ä., die ich beim Duschen
morgens übersehen haben könnte. "Ich habe zwei Nachrichten für Sie, Frau
Oehlmann: Sie sind hochkontagiös und ich muß Sie beim Gesundheitsamt melden."
DAS mußte ein schlechter Scherz sein. Sie dürfen nicht starten!!! "Guter Mann,
ich will Rennen fahren am Sonntag, ich bin auf dem Weg zum Sachsenring. Legen
Sie mir bitte eine Infusion an mit allen notwendigen Nährstoffen, die mich
wieder fit machen und Kraft geben: Deswegen bin ich hier!" Er lachte laut.
"Ich kann Ihnen Medikamente geben, aber helfen kann ich
Ihnen nicht. Haben Sie schon mal in die Nordsee gepinkelt?" Mein verwirrtes
Gefühlskaleidoskop drehte über verhaltene Wut zu Enttäuschung. Wir einigten uns
auf die Medikamente mit beschriebener Nordseepinkelwirkung und auf das
Versprechen meinerseits, mich von Kindern fernzuhalten und Montag zu Hause zum
Arzt zu gehen. In Nordseestimmung, den Jever-Mann aus der Werbung im Kopf,
fuhren wir durchs Haupttor am Sachsenring. Die Windstärke paßte zu meinen
Gedanken. Aber langsam schlich sich noch etwas anderes ein - zaghaft zwar - aber
eindeutig war es ein Gefühl der Freude! War es die Nordsee, der Wind, der
Jever-Mann oder doch die VOR-Freude? Die laut Volksmund die schönste Freude sein
soll? (Des Volkes Stimme hat offenbar noch NIE ein Seitenwagenrennen erlebt,
denn sonst wüßte sie was von anhaltender NACHfreude !!!)
Vorsichtig schlich ich in unseren Lastomnibus, der einen
schlafenden Fahrer sowie Helfer(Patrick) beherbergte. (Kennt jemand Felix
anders?) Die Jungs hatten nach dem bewerkstelligten Aufbau des Boxenzeltes sich
eine Pause redlich verdient. Auf dem Tisch lachten mich eine Rüeblitorte sowie
Schoggichueche an! Aah, der (alternde) Junge Felix wurde ganze 43 Jahre! Wir
weckten, quatschten und bereiteten vor. Das freie Training stand auf unserem
Programm. 50 Minuten! Und das war auch der Grund für mein wachsendes Unbehagen:
Beim Gedanken an die Berg-und Talbahn Sachsenring konnte mir gleich anders
werden. Würde meine Kraft reichen? Vier Tage hatte ich fast nichts gegessen -
das fast ist zu übersetzen mit appetitlichem Haferschleim - an Rüeblitorte in
meinem Magen war nicht im Traum zu denken. Wieder hielten wir Team-Sitzung und
berieten über den Einsatz eines Ersatzturners. Wer bekommt welche Punkte, wie
stehen wir dann in der IDM-Wertung, wann muß die Entscheidung her, wer trainiert
und wer turnt im Quali mit? Mein rücksichtsvoller Fahrer sagte, dass er es auf
jeden Fall mit mir erst probieren würde, eben solange es ginge. Und es ging
nicht sehr lange, da klopfte ich das erste Mal. Wir fuhren raus, ich
verschnaufte und konnte bald nicht mal neben dem Gespann stehen, weil mir die
Beine einknickten! Patrick schob wieder ganz dezent mit an, ein kranke alte Frau
diskret unterstützend! Ein wenig war das "Glück" auf meiner Seite, denn wir
hatten einen wirklichen Knaller als Motor gewählt! Puh, Vollgas ging nicht, die
maximal mögliche Drehzahl lag nur bei 11.500 UPM, ein Kolbenring war gebrochen.
Wie Silvesterknaller lärmend und Flammen werfend beendeten wir das Training im
Boxenzelt am Lastomnibus. Dort wurden wir vom ausgehungerten Eckhardt und Chris
magenknurrend erwartet. Ungeduldig wie Rumpelstilzchen hüpften sie von einem
Bein aufs andere und fragten, wann ich denn endlich "Miracoli" rufen würde!?
Eine gute halbe Stunde später war der Geburtstagstisch gedeckt und wir
verspeisten Spaghetti Bolognese Felice speciale. Von wegen Fertigfutter! Felix
wechselte mit dickem Bauch den Motor und gönnte uns für die Zeittrainings
Samstag schon den Rennmotor. Mit inzwischen zu Angst angewachsener Furcht legte
ich mich schlafen. Zur Ruhe kam ich eher weniger - meine Jungs schnarchten als
Trio infernale! Mit Puddingknien starteten wir zum ersten Zeittraining. Ich kam
mir vor wie ein Lambadatänzer, alle Bewegungen waren weich. Patrick stand immer
genau da, wo ich ihn am meisten brauchte, er schob wieder diskret unser Töff mit
an und brachte uns in Gang. Wir hatten nur ein Ziel: Die Qualifikation, egal auf
welchem Platz und Kraft sparen für das Rennen am Sonntag. Wir schafften es in 3
Etappen. Platz 19 im ersten Zeittraining. Wir waren erst einmal drin. Nach dem
Training legte ich mich sofort hin und fragte mich, warum ich mir so etwas
freiwillig antue! Ich mußte notgedrungen von trockenen Spaghetti auf
Sportlerkraftnahrung wechseln. Eine 1,5 Literflasche Cola zischte beim Öffnen
trotzig vor sich hin. Sie wußte wohl, dass ihr die totale Vernichtung in
kürzester Zeitspanne bevorstand. Gluck, gluckgluckuckuckckckckckck. Meine
Lebensgeister kehrten zurück. Der Pudding wackelte von dannen - chancenlos auf
Sieg! Die Spannung wuchs - was taten die anderen Fahrer? Reichte unsere erste
Qualizeit? Patrick schob uns wieder auf den Weg. Felix hatte eine Zündkerze
gewechselt, aber anscheinend nicht nur im Motor! Bei steigender Drehzahl kam
auch ich langsam auf Touren - wer hatte den Schalter umgelegt? Erst zaghaft,
dann ganz gewaltig kehrte das Grinsen in mein Gesicht zurück. Es brachte
unglaublichen Spaß! Was guckte ich als mein Fahrer nun schwächelte und an die
Box fuhr! Wadenkrampf. Auweia. Waren wir das Altersheim auf Wochenendausflug?
Wir machten aus, noch ein paar gemütliche Runden zu drehen und dann das
Zeittraining zu beenden, wir hatten die Quali sicher mit Platz 18. Meine
Alarmglocken schrillten. Welches Wort hatte Felix gerade benutzt? Manchmal lerne
ich so schnell wie mein Hund. Eine Verknüpfung reicht und irgendwo war eine
abgespeichert mit dem Wort "gemütlich". Achtung, das muß Schwijtzerdüütsch sein
und hat eine ganz besondere Bedeutung. Gemüt - lich, ich weiß nicht, was soll es
bedeuten? Gemüt - OHHH - Felix Gemüt! Achtung, der macht wieder Gas. Ja, das
mußte die Bedeutung sein! Gemüt - lich(t). DAS mußte die Übersetzung für
gemütlich auf Schwijtzerdüütsch sein: Licht erhellt Felix Gemüt! Zweite Runde,
aber hallo. Gerade war ich mit meinen Gedanken durch als ich auch schon den
preßluftgleichen Vorschub spürte. Er nutzte wieder die zweite Runde - nur dieses
Mal die zweite von hinten! Mähmmhhmmähmmmähmmm, geil! Locker, glücklich und
entspannt genossen wir die Auslaufrunde und hatten meine Glückszahl als
Startplatz erkämpft! 17! Zu weit hinten? Abwarten. Lecker zufrieden läuteten wir
den wirklich gemütlichen Teil des Abends ein und speisten. Die Jungs was
richtiges, ich weiter Spaghetti ohne Beilage. Sehr schnell füllte sich unser
Zelt mit Besuchern und es war wie wir es mögen: Die Bude leerte sich den ganzen
Abend nicht. Alle fragten Felix, wie denn seine neue Krankheit hieße, er würde
ja gar nicht schrauben? Patrick entkräftete mit: "Wir fangen gleich doch erst
an." Pustekuchen (der stand gar nicht auf unserem Speiseplan) - Felix mußte
nicht schrauben, es gab nichts zu reparieren an unserem Töff mit Spezialmotor!
Sonntag Morgen, der Wecker klingelte um 7:30 Uhr. Traumwetter. Das Warm-Up
wollten wir fahren, Fitnesstest durchführen für Turner und Töff sowie den neuen
Hinterreifen einfahren. Ob das eine abgemachte gemütliche Ausfahrt werden
würde??? Alles lief reibungslos und Felix genoß die frühen Runden mit
Linkskurventraining in vollen Zügen. Der Sachsenring hat es für die Fahrer in
sich! Den Lenker links auf Anschlag Vollgas den Berg hinunter und hinten wieder
Vollgas rauf. Felix Lieblingspassage - links geht voll und rechts rum ist wie
Fliegen in die Senke hinunter! Ist Spaß als Heilmittel verschreibungspflichtig?
Das Warm-Up war ein Genuß und wir fuhren direkt zum Frühstück. Mein Beschluß
stand fest: ich wollte mich dopen mit Rüeblitorte. Wenn das keine Kraft geben
würde! Mein Ernährungsplan stand Kopf, Cola und Torte zum Frühstück, das wird es
so schnell nicht wieder geben! Mike kam vorbei und wie in Assen gingen wir jeden
Bewegungsablauf durch. Daran könnte ich mich gewöhnen! Wer hat schon so einen
kompetenten "personaltrainer"? Und weiter stieg der Adrenalinspiegel. Weiß
jemand ein wirksames Gegenmittel außer Vollnarkose ? Das Rennen war für 17.15
Uhr angesetzt. Ich widmete mich meiner klassischen Frauenrolle und brachte
pünktlich mittags leichtes Essen auf den Sonntagstisch. Inzwischen sitzen die
"Jungs" schon mit gewaschenen Händen dort BEVOR ich sie zum Essen rufe! Nach dem
Essen döste ich wieder und dann ging es an Konzentrationsübungen. Das alte Gummi
mit dem Heißluftfön von den Reifen abziehen. Der Aufstz fiel runter und
instinktiv griff ich danach. AUTSCH! Die Brandblase war gesichert. Unser
Physiotherapeut Mario rettete mich mit einer super Salbe, meine rechte Hand
sollte unbedingtfunktionsfähig bleiben für´s Rennen! Felix packte schon das
Werkzeug zusammen, wie üblich bekam ich von meinem Umfeld nicht viel mit. Einige
treue Fans baten um Autogramme, das bekam ich noch hin. Es gab nur noch eine
Maßnahme, die mir jetzt gegen das Adrenalin und die Hitze helfen konnte:
manchmal gehört mir der Kopf gewaschen. Also ging ich duschen und wusch, was zu
klären war. Dehnen, aufwärmen, anziehen war angesagt und vor lauter Zeit wurde
es am Ende fast noch knapp. Wie bekommt Felix das nur in den Griff? (In der Ruhe liegt die Kraft... Anm.
Felix)Der letzte Aufruf
für die Seitenwagen schallte durchs Fahrerlager, es ging unerbittlich los! Die
letzten Tipps von Mike und Patrick im Kopf starteten wir durch. Ab durch den
Tunnel, den Berg hinauf, über die Strecke und in die Boxengasse. Angespannte
Mienen waren durch die Visiere erkennbar. Die Zuschauertribünen waren noch
gefüllt, Seitenwagen sind eben eine Attraktion! Ich erinnerte mich an den
GrandPrix in Assen vor Jahren, wo ich mit offenem und staunendem Mund an der
Strecke stand und das erste Seitenwagenrennen meines Lebens voller Begeisterung
beobachtete. Und nun ging es los mit meinem ersten eigenen IDM-Rennen! Die
Aufregung war wie weggeblasen, ich fühlte mich cool(nasser Kopf!). Und stark.
Und sicher. Und ich hatte Vertrauen. Vertrauen zu meinem Fahrer, der mir auch in
der übelsten Ecke Zeit ließ zum Wechseln, der wirklich den Teamgedanken ausfährt
und nicht als Einzelkämpfer mit beweglichem Ballast unterwegs ist! Ich würde
nicht im Omega rausfallen wie Eddie im Training! Die Ampel schaltete auf Grün,
die Besichtigungsrunde ging los. Endlich. Die Motoren heulten auf, wir starteten
mit Rasselrasselringtingting. Was für ein Sound bei diesem Traummotor! Ab zur
Startaufstellung. Fahrervorstellung, Schild: noch 3 Minuten. Die
Aufwärmrunde(!!!) ging los bei ca. 27°C im Schatten! Aber wo war der Schatten?
Ich schaute auf die Temperaturanzeige, alles im grünen Bereich, 60°. Die letzte
Links, dann die Startaufstellung. Rote Flagge, weg. Ampel an, Ampel aus und mit
Getöse setze sich das Starterfeld in Bewegung. Unsere Drehzahl blieb oben, das
war mein Job. Ab aufs Hinterrad, Druck machen, die Beschleunigung setzte
schlagartig ein, wir hatten Grip.
Ein riesiges Knäuel Seitenwagen drängelte sich in der ersten Rechtskehre. Das konnte nicht gut gehen. Ich rief Felix zu: lass sie gehen. Felix kann Gedanken lesen respektive hören und hielt sich aus dem Huddle raus. | |
Thomas landete rechts im Kies, er hatte nichts davon gehabt beim Start an uns vorbeizugehen. Stefan war auch durchgeflutscht, kein Harakiri im Omega bitte! Wir waren ziemlich weit hinten aber heil. Weiter gings. GAS! ZIEH! Geh VORBEI! |
Jetzt nicht nachlassen, Zeitpunkte zum Wechseln nicht ändern, weich bleiben, rein, rausdrücken, Kopf runter, halten, Fuß entlasten, drücken, Hintern raus, RAUS, Boot wird leicht, super, flieg rüber, ja, Felix Lieblingsrechts, huiii, mit Schmackes in die Senke, anbremsen, GAS, rein, raus Boot hoch und |